Beitrag von Bundesminister a.D. Dr. Peter Jankowitsch, Präsident der Gesellschaft Österreich Vietnam, zum Festabend “Von Solidarität zu Partnerschaft – 40 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Österreich und Vietnam” am 30. November 2012

(von links nach rechts) Dr. Irmtraut Karlsson, Abgeordnete zum Nationalrat a.D. und Schriftstellerin, Em.o.Univ.Prof. Dr. Werner Clement, Wirtschaftsuniversität Wien, Dr. Willibald Pahr, Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten a.D., Mitglied des Kuratoriums der Gesellschaft Österreich Vietnam, und Dr. Peter Jankowitsch, Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten a.D., Präsident der Gesellschaft Österreich Vietnam. Die Moderation hatte Livia Klingl, außenpolitische Journalistin und Autorin, inne.
(von links nach rechts) Dr. Irmtraut Karlsson, Abgeordnete zum Nationalrat a.D. und Schriftstellerin, Em.o.Univ.Prof. Dr. Werner Clement, Wirtschaftsuniversität Wien, Dr. Willibald Pahr, Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten a.D., Mitglied des Kuratoriums der Gesellschaft Österreich Vietnam, und Dr. Peter Jankowitsch, Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten a.D., Präsident der Gesellschaft Österreich Vietnam. Die Moderation hatte Livia Klingl, außenpolitische Journalistin und Autorin, inne.

 

ÖSTERREICH – VIETNAM, eine 4o-jährige Geschichte

Wer einen Blick werfen will, wie wir es heute Abend vorhaben, auf die Geschichte der nunmehr 40-jährigen Beziehungen zwischen Österreich und Vietnam – wobei sich hinter der Jahreszahl 4o natürlich eine viel längere Periode österreichischen Beziehungen zum Raum dessen verbirgt, was früher als Indochina bezeichnet wurde – wer also heute diesen Versuch unternehmen will, wird mit einer ganzen Fülle von Entwicklungen, Bewegungen und Ereignissen konfrontiert sein ,die im wirtschaftlichen, im politischen, im kulturellen, auch im humanitären Bereich diese Jahre und diese Beziehung geprägt haben.

Dabei wird es nicht möglich sein, diese Beziehung herauszunehmen aus dem geopolitischen Kontext, in die sie hineingestellt war und der sie, wie auch andere Bereiche der Außenpolitik, stark beeinflusst hat. Ein solcher Blick kann sich auch nicht beschränken auf den Bereich von Beziehungen zwischen Regierungen und Staaten, sondern muss alle jene gesellschaftlichen Kräfte einschließen, die sich in diesem Feld engagiert und eingesetzt haben, vor allem also auch die zivile Gesellschaft und ihr Einfluss.

Gerade hier handelt es sich also nicht nur um ein Kapitel österreichischer Außenpolitik, sondern auch ein Stück Geschichte einer großen Bewegung, wie es die Solidaritätswelle für die Völker Indochinas ab dem Ende der 6oer Jahre überall in Europa und anderen Teilen der westlichen Welt war. Wer sich den geopolitischen Kontext dieser Jahre vor Augen führen will, den ich hier natürlich nur mit ein paar flüchtigen Pinselstrichen zeichnen kann, wird nicht übersehen dürfen, dass Indochina/Vietnam damals einer der wichtigsten Schauplätze der Auseinandersetzungen im Kalten Krieg war, Auseinandersetzungen, über denen lange auch der Schatten des Atomkrieges schwebte.

Verwickelt in diese Auseinandersetzungen waren Weltmächte wie die USA, die nationalen Befreiungsbewegungen, die in den Farben ihres weltpolitischen Hauptgegners kämpften, als Teil ihrer globalen Konfrontation mit diesem verstanden.

Am stärksten aber war in Vietnam eine Bewegung für nationale Befreiung, für Unabhängigkeit, die sich zuerst gegen eine alte Kolonialmacht Frankreich richten musste, in den Strudel des Kalten Krieges und seiner unerbittlichen Logik, vor allem seiner nuancenlosen Freund-/Feind-Mentalität, gezogen worden.

Sie schien damit einem übermächtigen Gegner mit einer gewaltigen Kriegsmaschinerie ausgeliefert zu sein, für den Vietnam nur ein neues Schlachtfeld im Kampf gegen seinen weltpolitischen Hauptkontrahenten, die UdSSR, war. Nur diese Sicht der Dinge erklärt den auch für die damalige Zeit ungeheuren Einsatz von Menschen und Material in der Schlacht um Vietnam, auch den Ehrgeiz und die Verbissenheit politischer Führungen von Kennedy bis Nixon, aus dieser Auseinandersetzung siegreich hervorzugehen.

Es waren aber gerade dieser massive Einsatz, die Unverhältnismäßigkeit der Mittel, die sich hier gegenüberstanden, die in weiten Teilen der Welt eine rasch wachsende Welle der Solidarität mit einem Volk auslöste, das mit Zähigkeit und grenzenloser Opferbereitschaft nur ein einziges und kein anderes verbergendes Ziel verfolgte, nämlich nationale Unabhängigkeit und Souveränität zu erringen.

Dieser Weg, der in Hanoi im August 1945 mit der Proklamation der Demokratischen Republik Vietnam durch Ho Chi Minh begann, war von zahlreichen, immer wieder auch von Kompromissen und Friedensbemühungen gekennzeichneten Stationen begleitet, wie etwa den Genfer Abkommen von 1954, mit denen politische Lösungen angestrebt werden sollten.

Sympathie und Verständnis für Vietnam wuchsen aber dann in dem Maße, in dem solche Bemühungen zum Scheitern gebracht und Krieg und Verderben in einem heute kaum mehr vorstellbaren Maß über das Land gezogen wurden.

Die Bewegung für Vietnam stand damit zum einen in direktem Zusammenhang, in direkter Folge mit der großen Welle der Solidarität, die in Jahren vorher dem Befreiungskampf anderer kolonialer Völker gegolten hatte, schien doch hier ein neues, besonderes Kapitel solcher Befreiungskämpfe aufgeschlagen.

Besonders in Westeuropa, aber auch in den USA fiel sie darüber hinaus zusammen mit der Erneuerungsbewegung der 1960er Jahre, für die sie oft geradezu Symbolcharakter erlangte, etwa dann, wenn Studenten in der BRD „Zwei, drei, Vietnam, fangen wir mit Springer an“ skandierten. Auch Österreich wurde, wenngleich mit einer leichten Verspätung, aber dann doch von dieser Bewegung der Solidarität mit Vietnam erfasst und in diese Jahre fällt auch die Gründung dieser Gesellschaft.

Vorangegangen waren ihr Initiativen wie die Gründung etwa eines sozialdemokratischen Indochina-Komitees. Die Namen unter seinem Aufruf lesen sich wie ein Who’s Who, nicht nur des damaligen, sondern teils auch des heutigen politischen und intellektuellen Österreich und reichen von Heinz Fischer über Erwin Lanc, Karl Blecha, Ferdinand Lacina, Herbert Tumpel, Otto Probst und Rudolf Edlinger zu Guenther Nenning, Barbara Cudenhove Calerghi, Dieter Schrage oder Rudolf Burger. Mit solchen Initiativen hat das, was man damals noch nicht die zivile Gesellschaft nannte, in die Beziehungen Europas zu Vietnam kräftig eingegriffen und sichtbare Spuren hinterlassen. Aus dieser Situation stark erhöhter Sensibilität für das Geschehen um Vietnam ist schließlich auch die vorausschauende Initiative der damaligen österreichischen Bundesregierung zu verstehen, mit 1. Dezember 1972 die diplomatischen Beziehungen zu Vietnam, damals noch Nord-Vietnam, aufzunehmen und damit einen weithin sichtbaren Schritt der Anerkennung seines Befreiungskampfes zu verbinden. Wie Bundespräsident Heinz Fischer in seiner Grußbotschaft ja betont hat, erfolgte dieser Akt nicht erst 1975 – nachdem es zur Wiedervereinigung des lange geteilten Landes gekommen war – sondern inmitten einer der dramatischsten Phasen des Vietnam-Krieges, in denen immer wieder vietnamesische Städte wie Hanoi, Haiphong und andere von amerikanischen Bombergeschwadern in Schutt und Asche gelegt wurden.

Mit diesem Akt der damaligen, von Bruno Kreisky und Rudolf Kirchschläger gestalteten österreichischen Außenpolitik, wurden ohne Zweifel die Grundsteine einer politischen Beziehung mit Vietnam gelegt, die bis weit in die heutige Zeit hineinreichen. Österreich wollte mit diesem Akt aber auch signalisieren, auf welchen Grundsätzen und welchen Zielen seine Außenpolitik als dauernd neutraler, lediglich dem Völkerrecht und seinen Grundprinzipien verpflichteter Staat, aufgebaut sein sollte. Es war darüber hinaus auch Ausdruck einer Außenpolitik, die sich nicht lediglich als Nachbarschaftspolitik verstanden wissen sollte.

Wie groß Ansehen und Vertrauen waren, das sich Österreich durch eine konsequente Verfolgung dieser Politik erworben hatte, ließ sich etwa dadurch ermessen, dass Österreich Ende 1972 erstmals und fast einstimmig von der GV der VN zu einem der nicht-ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gewählt wurde. Ein weiterer Beweis des Vertrauens, das Österreich damals weltweit, besonders aber im indochinesischen Raum entgegengebracht wurde, bestand ohne Zweifel darin, dass einige Jahre später einem österreichischen Außenminister, Willbald Pahr, der Vorsitz in der Kambodscha-Konferenz der VN übertragen wurde, und ich bin glücklich, dass er heute hier unter uns ist.

Meine s.g. Damen und Herren!

Über viele weitere Seiten der Beziehungen zwischen Österreich und Vietnam wäre hier noch zu sprechen, und nur wenige von ihnen können hier Erwähnung finden. Lassen Sie mich aber auch an dieser Stelle feststellen, dass auch in diesen neuen Phasen dieser Beziehung Impulse dafür von vielen Seiten ausgingen, nicht zuletzt von der zivilen Gesellschaft, und es immer wieder zu Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Initiativen gekommen ist. So hat sich gerade unsere Gesellschaft immer wieder auch für den Ausbau der Beziehungen auf Regierungsebene eingesetzt und die Errichtung einer österreichischen Botschaft in Hanoi gefordert, welcher Bitte dann Ende der 1990er Jahre auch entsprochen wurde und unser heutiger, höchst aktiver Botschafter, unser Freund Georg Heindl, reiht sich würdig in eine Abfolge österreichischer Missionschefs in Hanoi ein.

Erfreulicherweise hatte Vietnam ja schon in den Jahren vorher eine Botschaft in Wien errichtet, und auch ihren heutigen Missionschef, Herrn Botschafter Nguyen Thiep, darf ich hier begrüßen.

Einige Höhepunkte dieser Beziehung hat Bundespräsident Fischer in seiner Grußbotschaft erwähnt, und es ist begrüßenswert, dass daneben auch auf regionaler Ebene, etwa durch ein starkes Engagement der Stadt Wien in Hanoi, während einiger Jahre Akzente gesetzt werden konnten.

Als Katalysator, als Drehscheibe für diese Beziehungen, versteht sich jedenfalls nach wie vor unsere Gesellschaft, so sehr in den letzten Jahren gerade auch Kontakte auf wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene neue Dimensionen angenommen haben, so sehr nun auch der Fremdenverkehr, der Tourismus beginnt, unsere Länder zu verbinden, nachdem immer mehr Österreicher Vietnam als ansprechendes Urlaubs- und Reiseziel erkannt haben.

Für Österreich ist Vietnam dank seiner starken Stellung im südostasiatischen Raum, dank seiner nach wie vor dynamischen Wirtschaftsentwicklung und seiner ungebrochen positiven Zukunftsperspektiven heute einer der wichtigsten Partner unter den ASEAN-Staaten geworden.

Nach wie vor schwingt aber in der Beziehung zwischen Österreich und Vietnam ein besonderes, diese Beziehung auszeichnendes und es von allen anderen abhebendes Element mit, das eines alten Gefühls der Solidarität mit dem kämpfenden, mit dem ungebrochenen Vietnam, das in den schwersten Jahren seiner Vergangenheit entstanden ist. Auf dieser Beziehung besonderer Art, auf diesem Verständnis mit der besonderen, einzigartigen Natur dieses Landes, sollten auch künftige Phasen dieses Verhältnisses aufgebaut werden und versprechen dadurch besonders reiche Früchte zu tragen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang natürlich nicht nur von den in fast stürmischer Entwicklung begriffenen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen Österreich und Vietnam sprechen, die heute durch ein beeindruckendes Austauschvolumen gekennzeichnet sind, das sich der Marke einer halben Milliarde Euro nähert. Zu diesem Kapitel haben wir ja auch auf unserem Podium in der Person von Werner Clement, einen der ausgewiesensten Fachleute auf diesem Gebiet.

In einem ebenso raschen Ausbau befinden sich die kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und Vietnam, zu denen im Übrigen unsere beiden Botschaften durch besondere Veranstaltungen in diesem Jahr wichtiges beigetragen haben, um gegenseitiges Interesse zu erwecken.

Einen frühen Beitrag dazu konnte auch unsere Gesellschaft durch die Einladung vietnamesischer Schriftsteller und Journalisten nach Österreich leisten, um damit weitere Kontakte zwischen unseren Ländern auf diesem Gebiet einzuleiten.

Einen fruchtbaren Boden für den weiteren Ausbau unserer Beziehungen stellen aber sicher weitere Begegnungen vieler Art zwischen Menschen und Institutionen unserer Länder dar, wie sie in den vergangenen Jahren bereits stattgefunden haben. Als guter Weg dazu erscheinen mir nicht zuletzt Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden unserer beider Länder, wie sie ja vor allem im europäischen Kontext häufig üblich sind. Auch wenn es bis heute noch keine solche Städtepartnerschaft zwischen österreichischen und vietnamesischen Gemeinden gibt, so würde ich gerade dies als eine der Herausforderungen betrachten, denen sich unsere Gesellschaft aber auch andere, denen an der Entwicklung dieser Beziehung gelegen ist, stellen sollten.

Wichtig scheint mir schließlich auch die Fortsetzung des politischen Dialogs zwischen Österreich und Vietnam, wie er in den letzten Jahren immer wieder auf hoher politischer Ebene, zuletzt während des Besuches des HBP in Hanoi, heuer auch im Rahmen eines EU-ASEAN Ministertreffens in Brunei Darussalam stattfinden konnte, wo der Vertreter Österreichs, Außenminister Pham Binh Minh, zu einem bilateralen Gespräch treffen konnte. Ein solcher politischer Dialog erscheint auch deshalb von Interesse, weil Österreich wie Vietnam auch im globalen Kontext gemeinsame Interessen, etwa auf dem Gebiet von Abrüstung und Rüstungskontrolle, verfolgen. Wie nahe österreichische und vietnamesische Interessen sein können, hat sich auch in dem Jahr gezeigt, in dem Österreich und Vietnam gemeinsam dem Sicherheitsrat angehört haben. Für diesen Dialog sollten daher auch in Zukunft immer wieder auch bilaterale Wege jenseits der Möglichkeiten, die die multilaterale Diplomatie bietet, gesucht werden. Die kommenden Jahre wird unsere Gesellschaft jedenfalls immer wieder zu nützen wissen, um den verschiedenen Dimensionen einer jetzt schon sehr vielfältigen Beziehung neue Impulse zu geben. Sie ist sich dabei der Unterstützung einer wachsenden Zahl unserer Mitbürger sicher, die sich von einem faszinierenden und inhaltsreichen Land aus den verschiedensten Motiven angezogen fühlen, seine Nähe suchen und es besser kennenlernen wollen. Wir freuen uns im Übrigen, dass viele Anzeichen darauf hindeuten, dass schon in naher Zukunft eine Schwestergesellschaft für vietnamesisch-österreichische Beziehungen in Hanoi entstehen dürfte. Gemeinsam können wir uns dann den vielen Aufgaben der Zukunft stellen.

Bevor ich zum Ende komme, erlauben Sie mir noch ein Wort des Dankes an alle jene, die in den letzten Wochen am Zustandekommen dieses Abends mitgewirkt haben, vor allem meinem Vorgänger im Amt des Präsidenten, Prof. Helmut Kramer, sowie unserem unermüdlichen Stellv. Generalsekretär, Mag. Robert Reitbauer, und vielen anderen. Danken möchte ich auch Herrn Staatssekretär Hans Winkler für die Gastfreundschaft in dieser Diplomatischen Akademie und last but not least besonders herzlich Herrn Botschafter Nguyen Thiep für seine Unterstützung bei der Organisation dieses Abends.